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AusführlicherAufsatz mit Abbildungen

 

Hans-Gerd Wendt

"... ein außerordentlich gefährliches staatsfeindliches Nest..."

Der politische Widerstand gegen den Faschismus in Emden und Ostfriesland begann nicht erst mit der Machtübernahme Hitlers Anfang 1933. Schon lange vorher hatte sich besonders die Kommunistische Partei auf eine Auseindersetzung auf allen Ebenen vorbereitet, wobei insbesondere die Umstellung aller Strukturen und Parteiorganisationen auf die kommende Illegalität die wichtigste Rolle spielte. Im Gegensatz zu den Sozialdemokraten, die eine eher beobachtende, abwartende und passive Position im Kampf gegen den Faschismus einnahmen, war den Kommunisten aufgrund ihrer Erfahrungen mit der Brutalität der Nazis im täglichen Umgang auf der Straße klar geworden, daß sie keinen Pardon im Falle einer Regierungsbeteiligung der NSdAP zu erwarten hatten.

Als nach dem Reichstagsbrand die erste große Verhaftungswelle über das damalige Reich hinwegrollte und Kommunisten, Sozialdemokraten, bürgerliche und christliche Kräfte gleichermaßen erfasste, war es denn auch die KPD, die sich auf diese neue Realität am Besten eingestellt hatte.

Nahezu unbeeindruckt davon, daß ihre bisherigen Führer schnell eingesammelt und in die nächsten Gefängnisse und Lager gebracht wurden, entstand sofort eine neue Parteileitung, die nun den Widerstand kontinuierlich fortführte.

Auf lange vorbereiteten Wegen wurden von Emden aus die Kontakte mit der Zentrale Nord-West in Bremen sowie mit den untergeordneten Organisationen vor allem in Leer, Moordorf, Aurich und Norden wieder hergestellt. Im Zuge einer geschickten Rotation der besten Anführer -so ging August Wagner von Emden nach Wesermünde, für ihn kam ein Bremer Parteimitglied- gelang es zunächst die politische Arbeit ostfrieslandweit zu organisieren. Die Verdecktheit dieser Arbeit unter der ständigen Verfolgung durch die Nazipolizei brachte es natürlich mit sich, daß die Öffentlichkeit nur insoweit davon Kenntnis nehmen konnte, als sie dann und wann verbotene Literatur, "Graffitis" und vor allem über die Mund-zu-Mund-Verbreitung von den wahren Geschehnissen jenseits der Nazipropaganda in Deutschland Kenntnis erhielten. Dieses versteckte Operieren führte nach dem Krieg bis in unsere Zeiten dazu, der Emder KPD nur eine bedeutungslose Rolle im Kampf gegen Hitler zuzuschreiben, die sich darauf beschränkte, untereinander den Kontakt nicht zu verlieren.

Die Wirklichkeit sah anders aus. Ob es sich um Kontakte und Fluchthilfeaktionen nach Holland handelte, die weitere internationale Anbindung über die Seeschiffe (dabei die massenweise Einfuhr und Weiterleitung verbotener Aufklärungschriften bis ins Ruhrgebiet, die Weiterleitung von Informationen politischer -aber auch militärischer- Art), das Ein- und Ausschleusen von Menschen über den Emder Hafen, vor allem aber eben auch der politische "Kampf um die Köpfe" in der Region handelte: die Ostfriesen waren ein bedeutender Teil im antifaschistischen Kampf.

Dabei waren natürlich auch Verluste und Opfer zu beklagen. 1934 und besonders 1937 wurden Hunderte verhaftet und viele zu hohen Gefängnis- und Zuchthausstrafen verurteilt. Nach der Verbüßung der gerichtlich verhängten Strafen stand oftmals die sofortige Weiterverbringung in ein Konzentrationslager, deren Torturen einige nicht überstanden. Doch immer wieder entstand eine neue Führung mit neuen Persönlichkeiten, die die Weiterarbeit anleitete.

Nach 1937 war die KPD völlig neu aufgebaut und untergetaucht, sodaß eine Weiterverfolgung ihrer Arbeit nur sehr schwer möglich ist. Aber es hat sie gegeben. Noch im Herbst 1941 (nach dem Angriff der faschistischen Wehrmacht auf die Sowjetunion!) wurde über den Emder Hafen ein emigrierter Vertreter der Partei aus Skandinavien nach Holland weitergeschleust, um an einer geheimen Beratung teilzunehmen. Anschließend ging dieser Funktionär -wieder über Emden- nach Bremen weiter. Neben verschiedenen kleineren Indizien für eine Fortsetzung des Kampfes gegen Hitler ein wohl überzeugender Beweis, daß die kommunistische Organisation in Emden keineswegs zerschlagen war.

Hans-Gerd Wendt hat im Bundesarchiv in Berlin Prozessunterlagen und Vernehmungsprotokolle der Gestapo eingesehen. Ein ausführlicher Bericht über die Ereignisse folgt demnächst.